Positionspapier Steinbruch Nußdorf

Mit Öffentlicher Bekanntmachung vom 28.08.2020 hat nunmehr das Landratsamt Rosenheim das Verfahren um die Erweiterung des Steinbruchs Überfilzen bei Nußdorf a. Inn wiedereröffnet.

2017 erließ der Bayrische Verwaltungsgerichtshof, auf Betreiben der Gemeinde Nußdorf a. Inn, die vorläufige Stilllegung des Gesteinsabbaus jenseits einer Höhe von 758 m ü NN. Der Betreiber, die in Rohrdorf ansässige Südbayrischen Portland Zementwerke Gebr. Wiesböck & Co. GmbH, teilt die Auffassung des Gerichtes nicht und stellte im März 2019 den Antrag auf wesentliche Änderung um eine Genehmigung für den weiteren Abbau auch oberhalb von 758 m ü NN zu bewirken. Dieser sieht vor, in den nächsten 50 Jahren noch knapp 10 Mio. Tonnen Gestein abzubauen.

Nachdem bereits im vergangenen Jahr 722 Einwendungen gemacht wurden, haben nunmehr alle Bürger nochmals bis einschließlich Freitag, 30.10.2020 Zeit Einwendungen zu machen, oder ihre bereits gemachten Einwendungen weiter auszuführen. Nach Ablauf der Fristen soll dann, unter Verweis auf die COVID-19 Pandemie und das Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG), ohne den ursprünglich geplanten Öffentlichen Erörterungstermin entschieden werden.

Unser Ortsverband hat hierzu folgende Position:

Auch in Zeiten wie diesen muss alles versucht werden, um die betroffenen Bürger an dem Prozess unmittelbar und direkt zu beteiligen. Warum ist es dem Landratsamt nicht möglich, den Öffentlichen Erörterungstermin über mehrere Tage in einer entsprechend großen Räumlichkeit zu organisieren und die Anzahl der anwesenden Personen pro Tag, entsprechend den geltenden COVID-19 Vorgaben, zu begrenzen, sowie die gesamte Veranstaltung online zu übertragen. Ein Projekt dieses Ausmaßes, mit gravierender Wirkung auf unsere Natur und Landschaft und die kommenden Generationen darf nicht mit Hinweis auf das „pflichtgemäße Ermessen“ des Landratsamtes Rosenheim und ohne entsprechende Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger genehmigt werden. Warum auf einmal die Eile? 50 Jahre soll weiter abgebaut werden, da sollte man sich im Vorfeld schon die Zeit nehmen und Möglichkeiten finden wie man einen Erörterungstermin kreativ und sicher organisieren kann oder ggf. auch nochmal verschiebt. Oder kommt das Pandemie Gesetz gerade Recht um das Verfahren abzukürzen? So jedenfalls spielt man nur Argumente in die Hände von Verschwörungstheoretikern, von denen wir uns auf Schärfste distanzieren.

Ursprünglich als „unsichtbarer Steinbruch” genehmigt, hat sich dieser Steinbruch nunmehr seit den frühen 60er Jahren immer weiter und immer höher in den Heuberg gefressen und ist heute bereits vom Irschenberg aus als klaffende Wunde im Heuberg, deutlich zu sehen. Es ist bereits heute der vermutlich größte und sichtbarste Steinbruch am deutschen Alpenland. Der geplante weitere Abbau, mit einem Gesamtvolumen von etwa 3,5 Mio m³ Gestein (entspricht einer Grundfläche von 100 m x 100 m und 350 m hoch) würde das Schutzgut Landschaftsbild massivst beeinträchtigen und wäre aus unserer Sicht ein vollkommen unverhältnismäßiger Eingriff in die Natur. Das Bayrische Verwaltungsgericht hatte viele gute Gründe, warum es die vorläufige Stilllegung des Gesteinsabbaus jenseits einer Höhe von 758 m ü NN verfügte und dem ist nichts hinzu zu fügen. Dieser Steinbruch wird nunmehr seit 60 Jahren intensivst betrieben und erweitert. Die sogenannte Sichtschutzwand erfüllt schon lange nicht mehr den gedachten Zweck und die geplante Erweiterung würde die Abbaugrenze von heute 758 m ü NN nochmals bis in Bereiche von zirka 820 m ü NN nach oben verschieben. Unerträglich der Gedanke, wie es dann aussehen möge und was wir damit unseren Kindern und Kindeskindern zumuten. Unserer Meinung nach sollte nach Abschluss der Abbautätigkeit bis auf die Linie von 758 m ü NN in keinem Fall einer nochmaligen Erweiterung zugestimmt werden. Bei 758 m ü NN muss Schluss sein. Der Heuberg hat seine Schuldigkeit getan.

Neben der lokalen Auswirkung auf unser Landschaftsbild treibt uns Grüne aber auch die Rolle der Zementindustrie im Kampf um eine CO² Reduzierung um. Die Zement-Herstellung ist einer der emissionsintensivsten Industrieprozesse. Deshalb ist der Klimaschaden, der durch die Verwendung von Zement entsteht, beträchtlich: bis zu 8 % der globalen Treibhausgasemissionen werden durch die Zementherstellung verursacht. Die Stilllegung des Steinbruches bei Nußdorf wäre ein klares Signal, das Politik und Industrie nicht mehr ignorieren könnten. Es braucht eine starke Allianz zwischen Forschung und Entwicklung, Anlagenbauern, den Betonherstellern sowie der bauausführenden Industrie, Planern und Architekten. Daneben bedarf es auch, geeigneter politischer Rahmenbedingungen, die eine wettbewerbsfähige Zementreduzierung, sowie die Produktion CO2-armer Zemente und Betone in Deutschland ermöglichen und gleichzeitig Zukunftsmärkte und für diese Produkte entstehen lassen. Namhafte Institute und Universitäten im In- und Ausland forschen bereits an diversen, teils vielversprechenden Lösungen, aber es fehlt an klaren Vorgaben, Mitteln und den politischen Rahmenbedingungen. Deutschland hat die Führung bei der Entwicklung der Elektromobilität an Tesla und Asiatische Hersteller aus der Hand gegeben, in dem eine rückwärts gerichtete CSU Verkehrs- und Automobilpolitik die Hersteller in falscher Sicherheit wiegte. Erst durch den Druck der Klimakrise ist nun Bewegung in die Forschung und Entwicklung unserer Vorzeigeindustrie gekommen, doch es wird eine jahrelange Aufholjagd werden, um das durch kurzfristiges Gewinnstreben verlorene Terrain wieder aufzuholen. Diesen Fehler sollten wir bei der Zementindustrie nicht wiederholen. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass es naiv wäre hier auf Freiwilligkeit der Industrie zu hoffen. Nur konkreter wirtschaftlicher Druck, die Verknappung der Rohstoffe, sowie geeignete politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind die einzigen Garanten dafür, dass sich endlich etwas tut. Deutschland hat die Fähigkeiten, die Mittel sowie das Potential unserer Wissenschaftler und Ingenieure technologisch Führerschaft in der Reduzierung des Klimakillers Zement zu übernehmen und damit einen technologischen Exportschlager zu besitzen. Die vom Rohrdorfer Betreiber genannten CO² Einsparungen beim Einsatz des angeblich reinen Kalksteins von Nußdorf sind ein Tropfen dessen was wir einsparen könnten. Auch aus diesem Grunde fordern wir die zeitnahe Stilllegung des Steinbruchs am Heuberg und den unmittelbaren Beginn der Renaturierungsmaßnahmen.

Dem Nußdorfer Gemeinderat, in dem alle Fraktionen gegen die Erweiterung sind, haben wir unsere Unterstützung angeboten. Gerne fordern wir alle Bürger, auch der umliegenden Gemeinden, dazu auf, sich das geplante Erweiterungsvorhaben genauer anzusehen und ggf. noch bis Ende Oktober ihre Einwände beim Landratsamt oder der Gemeinde Nußdorf einzureichen.
Sämtliche Unterlagen sind derzeit auf der Internetseite des Landratsamtes Rosenheim bzw. der Gemeinde Nußdorf eingestellt.

https://www.landkreis-rosenheim.de/steinbruch-nussdorf/

https://www.nussdorf.de

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